Im dritten Teil unserer Textserie, die wir vorbereitend auf die Burschiveranstaltungen am 17./18. Juni in Frankfurt veröffentlichen, geht es ums Fechten. Genauer gesagt die Mensur und die Debatte unter Burschenschaftlern, ob diese verboten werden sollte oder nicht. Kommt am 17.6. zur Demo zum Südbahnhof!

„Ein paar anregende, friedliche und schöne Tage“, wünscht Johann Steinhauer von der Landsmannschaft Saxo-Suevia Erlangen in den „vertraulichen“ Kongressunterlagen allen Verbandsbrüdern am kommenden Wochenende. Die Landsmannschaft verantwortet in diesem Jahre den 155. Kongress des Coburger Convent (CC). In dem Verband haben sich rund 100 Studentenverbindungen, Turnerschaften und Landsmannschaften zusammengeschlossen. Am Pfingstwochenende wollen 3.000 Vertreter unter dem Motto „Völkerfamilien Europa – ein Schicksal, eine Zukunft“ in Coburg zusammenkommen. Ein Höhepunkt: der Fackelzug in vollen Farben ihrer pflichtschlagenden Verbände, ein Umzug, bei dem die Teilnehmer ihre Trachten und die jeweiligen Fahnen tragen.

Interne E-Mails offenbaren jedoch, dass es in dem Dachverband gerade weit weniger harmonisch zugeht, als der Kongress glauben machen soll. Vielmehr wird sehr kontrovers über die Mensur, den studentischen Fechtkampf, diskutiert. Bei solchen Mensuren treten zwei Kämpfer mit scharfen Waffen gegeneinander an und fügen sich auch gegenseitig Verletzungen zu, meist im Gesicht oder am Kopf. Die Narben solcher Kämpfe werden mit Stolz getragen. Nun jedoch fürchten manche Verbandsmitglieder, die stille Akzeptanz des Fechtens in der breiten Öffentlichkeit könnte enden.

Duell um die Ehre?

Die Debatte um die Mensur befeuerte zuletzt der Verlauf einer Pro-Patria-Suite in Erlangen. Am 10. Februar dieses Jahres verletzten sich zwei Männer bei einem sogenannten Duell um die Ehre schwer. Gegeneinander angetreten waren Mitglieder der Burschenschaft Germania Erlangen im süddeutschen Kartell und der Turnerschaft Munichia Bayreuth im Coburger Convent. Zwei Kämpfer der Munichia mussten im Krankenhaus behandelt werden. Oder wie es die Gruppen selbst bezeichneten: Es gab zwei „klinische Abfuhren“. Das Problem der schlagenden Verbindungen: Ein Duell um die Ehre ist verboten. Allein die Mensur, also das Fechten, um „seinen Mann zu stehen“, ist unter Auflagen erlaubt.

Der CC verlangt jedoch von „jedem seiner Mitglieder“ zwei Pflichtmensuren. Nun geht es darum, den gefährlichen Kampf nach außen hin umzudeuten. Im Magazin des CC schrieb Schriftleiter Martin Vaupel: „Die Mensur – auch in Form einen ‚Pro Patria Suite‘ – ist also ein Sport.“ Der Pressesprecher setzte die Mensur auch mit „kampf- und körperbetonten Sportarten“ gleich.

„Wehrhaft sein“

Dies allerdings rief den Protest eines Alten Herrn der Landsmannschaft Mecklenburgia-Rostock zu Hamburg hervor, der für das Bundesverteidigungsministerium arbeitet. In einem nicht veröffentlichten Artikel für das CC-Magazin führte der Referent in der Abteilung Planung I des Ministeriums aus, dass eine „Anpassung an den Zeitgeist“ nicht geboten sei, gerade in Zeiten des Endes der „pazifistischen Friedensillusion“. Der „Geist“ der „waffenstudentischen Tradition mit den Leitbegriffen von Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland“ verlange, „nicht nur mit dem Wort, sondern auch mit der Tat, d.h. mit der Waffe in der Hand, wehrhaft zu sein“. Dass „selbst in unserem waffenstudentischen Verband die Mensur als ‚die schönste Extremsportart der Welt‘ bezeichnet wird“, störe ihn. Der „Wille“ zum Widerstand „gegen unsere Gegner“ käme auch in der „Mensur zum Ausdruck“. Der Referent hält „die Mensur für grotesk und damit auch gesetzlich verbietenswert, wäre sie Kampfsport und eben nicht an Ehre, Freiheit, Freundschaft und Vaterland gebunden“.

Dieser Artikel war Schriftleiter Vaupel offenbar zu eindeutig. In einer „Wertekommission“ könne diese Position diskutiert werden, sagte er dem Störungsmelder. Er wolle allerdings keinen Artikel veröffentlichen, in dem das Fechten als Wehrertüchtigung betont werde. Immerhin läsen 11.000 Menschen das Magazin. Die Mensur möchte Vaupel als Sport verstanden wissen – wie „Freeclimbing“.

Interne E-Mails des CC belegen nun, wie der Verband sich darum bemüht, schwere Verletzungen bei der Mensur nicht öffentlich werden zu lassen. Es geht dabei auch um Geld. Den CC treibt die Sorge, Krankenkassen könnten Regress fordern. Am 6. März 2016 war Alexander K. bei einer Pflichtmensur skalpiert worden. Der damals 19-Jährige musste länger im Krankenhaus bleiben. Der Verletzte selbst sprach im studentischen Jargon von einem „Scherzl“. Der „Rechtsamtsleiter“ des CC befürchtete jedoch, dass von nun an häufiger Rückzahlungsforderungen von Krankenkassen kommen könnten.

Umso mehr bewegt der Vorfall in Erlangen vom Februar die CC-Mitglieder. Der Streit, so lässt sich in dem internen Material nachlesen, dreht sich darum, ob es sich bei der „Causa Erlangen“ um einen „strafbaren Ehrenhandel“ handelte oder nicht besser von einem „sportlichen Wettbewerb“ gesprochen werden sollte. Ein Bundesbruder mahnte, dass leider „neben strafwidrigen (…) Ehrenhändel gerade diese Grauzone in den vergangenen Jahren überstrapaziert“ worden sei, „wodurch das Interesse der Gegner der Mensur geweckt wurde“. Seine Sorge: Die Verbindungen könnten das Recht auf Mensuren und damit ihr „Alleinstellungsmerkmal als pflichtschlagende studentische Kooperationen“ verlieren.